Vier Radpanzer sind schon unterwegs. 750 Soldaten sollen bald folgen. Ihr Ziel: der Brennerpass. Ihre Aufgabe: die Grenze schützen. Gegen wen? Gegen Migranten, die aus Italien kommen. Das sind die kriegerisch klingenden Nachrichten, die uns aus Wien erreichen. Kann man das ernst nehmen? 

Man muss, leider. Österreich ist zwar ein militärischer Zwerg, aber das Ego von Sebastian Kurz hat Weltmachtniveau mit hohem Gefahrenpotenzial. Der 30-jährige Kurz will der jüngste Kanzler Europas werden. Je härter sich der amtierende Außenminister Österreichs gibt, desto mehr Stimmen werden er und seine ÖVP bei der Parlamentswahl am 15. Oktober bekommen. Das ist Kurz' Kalkül. Laut Umfragen wird es aufgehen.

Es scheint Kurz völlig egal zu sein, welchen Schaden er mit seinem martialischem Gerede in Europa anrichtet. Die italienische Regierung verlangt bereits, dass die EU ein Verfahren gegen Österreich einleitet. Sie hat den österreichischen Botschafter in Rom einbestellt. Eine weitere Eskalation ist durchaus denkbar: Es sollte nicht vergessen werden, dass Österreich und Italien über das lange 19. Jahrhundert hinweg bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Erzfeinde waren. Die rhetorischen Waffenarsenale beider Länder sind nach wie vor gut gefüllt. Kurz kümmert das alles nicht. Er zieht gegen Italien zu Felde, weil er Kanzler in Wien werden will. Das ist skrupellos, das ist gefährlich. 

Kurz ist nicht das eigentlich Problem

Doch Kurz ist nicht das eigentliche Problem. Das liegt woanders: Der EU gelingt es nicht, ihre Grenzen zu kontrollieren. Solange das libysche Tor offen steht, wird ein ehrgeiziger Politiker wie Kurz damit Wahlkampf machen. Je offener dieses Tor ist, desto mehr Erfolg wird er haben und desto mehr verliert die EU bei ihren Bürgern Legitimität. 

Mehr als 100.000 Migranten sind allein in diesem Jahr über Libyen nach Italien gekommen. Die italienischen Behörden bemühen sich nach Kräften, die Situation in den Griff zu bekommen, und im Unterschied zu früheren Jahren ist tatsächlich vieles besser geworden. Die Migranten werden aufgenommen, soweit wie es geht, identifiziert, fast ausnahmslos registriert und schließlich auf Aufnahmelager im ganzen Land verteilt. Das ist eine große Leistung. Das sollte von den Europäern anerkannt werden.